"Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen."
Johann Wolfgang von Goethe
Die Bilder der ersten Fotografen waren schwarzweiß. Zwar gab es bald Möglichkeiten farbige Bilder herzustellen, aber die Technik war umständlich und die Bilder waren von mäßiger Qualität. Deshalb haben Künstler zeitig begonnen ihre Bilder zu kolorieren. Erst seit 1936 gibt es brauchbare Farbfilme. In der DDR, wo ich aufwuchs, wurde überwiegend schwarzweiß fotografiert. Farbfilme waren teuer, schlecht und mit einer Chemie, die niemand sonst auf der Welt nutzte. Außerdem konnten wir Schwarzweißbilder in der eigenen Dunkelkammer bearbeiten. Heute sind Farbbilder so selbstverständlich, dass niemand ohne Grund schwarzweiß fotografieren würde. Das macht die Schwarzweißfotografie besonders und zu einem Medium für Künstler.
Schwarzweißfotografie hat einige Vorteile. Das nächste Bild entstand bei etwas trüben Himmel. In Farbe wäre der Himmel eine ziemlich graue Soße geworden. Schwarzweiß konnte ich auf die Wolken optimieren. Ich nutze dazu den Effekt, dass ich auch in einem Schwarzweißbild die Farbkanäle einzeln wichten kann. Da in den verschiedenen Bildteilen jeweils andere Farben dominieren, lassen sich interessante Effekte erzielen.
Dass Anna in dem Bild auf ihre Silhouette reduziert ist, war Absicht. Ihr Körper hat genügend Konturen, dass er gegen den Himmel wirkt. Der Tag war windig, ihre Haare wehten schön, was gut zu der Kulisse mit dem kahlen Baum passt. Ausgewogen belichtetet wäre dem Bild die Stimmung verloren gegangen.
Die Pose im nächsten Bild habe ich, nachdem ich gesehen hatte, wie viel Holz Lubka von der Hütte hat, bewusst gewählt. Ihre großen, hängenden Brüste werden von ihrem linken Arm kaum verdeckt. In Farbe wäre das zu dick aufgetragen, wahrscheinlich ins Triviale abgeglitten. Monochrom bearbeitet wirkt das Motiv deutlich milder.
Schwarzweißbilder sind jedoch nicht misslungene Farbbilder. Es gibt verschieden Gründe, schwarzweiß zu fotografieren. Das kann das Motiv sein, das kann aber auch eine beabsichtigte Wirkung sein. Auch spielen die Erfahrungen, das Gedächtnis des Fotografen, eine Rolle. Früher habe ich aus technischen Gründen schwarzweiß fotografiert. So habe ich von Anfang an gelernt, schwarzweiß zu sehen.
Die Altstadt von Dresden ist zwar komplett neu, ein Disneyland mit Niveau, aber sie wirkt alt. Daher gilt hier das gleiche wie für Karnak. Außerdem hätte das Bild farbig bearbeitet auf mich wie nude in public gewirkt. So bekommt das Bild, finde ich, mehr Eleganz.
Ein Bild muss nicht zwingend elegant sein, jedoch sollte ein Fotograf gute Gründe haben, wenn er auf Eleganz verzichtet. Frauen wollen gut aussehen, auch die, die das nicht zugeben. Und die, die sich fotografieren lassen, sowieso. Eine Frau, die sich für die Kunst auszieht, überwindet nicht nur ihr Schamgefühl und trägt ihre Haut zu Markte. Sie macht auch einen Knochenjob. Und sie wird zum Teil um ihren Lohn betrogen, denn sie ist nicht dabei, wenn Sie sie bewundern. Deshalb ist der Fotograf verpflichtet alles zu tun, was ihm möglich ist, und sorgfältig zu arbeiten.
Vielleicht spielt es eine Rolle, wie das Auge funktioniert. Es gibt unterschiedliche Zellen auf der Netzhaut, Stäbchen und Zäpfchen. Die Zäpfchen sind fürs Farbsehen, die Stäbchen können nur hell und dunkel unterscheiden. Das ist ähnlich dem CMYK-Druck, wo zu den drei Farben noch ein Grauwert hinzu kommt. Nur gibt es im Auge viel mehr Stäbchen als Zäpfchen, so dass wir Konturen und Strukturen besser wahrnehmen als Farben. Ihnen ist wahrscheinlich aufgefallen, dass Sie ab einer gewissen Dunkelheit keine Farben mehr erkennen, aber Konturen noch sehr gut. Deswegen sagt der Volksmund, dass in der Nacht alle Katzen grau sind. Gegen diese Theorie spricht allerdings, das sich im Zentrum des Auges, dort wo wir richtig scharf sehen, nur Zäpfchen befinden.
Schwarzweiß zu mögen, kann also auch physiologische Gründe haben. Auf Schwarzweißbildern fehlt eine Information, die das Gehirn nicht verarbeiten muss. Angenommen, der Aufwand des Gehirns bleibt gleich, dann wird es die anderen Informationen intensiver wahrnehmen. Bleibt allerdings die Frage, warum sich dann nicht alle auf Schwarzweißbilder stürzen. Dafür spielen, denke ich, Erwartungen und Erfahrungen eine wesentliche Rolle. Denn Farbe erzeugt Emotionen und Emotionen sind unheimlich stark.
Wer schwarzweiß fotografiert, verzichtet in seinen Bildern auf die bunte Welt. Dabei ist bunt gerade en vogue, wie heute in eingebildeten Kreisen gesagt wird. Durch die Digitalisierung
ist es sehr einfach geworden, Bilder, egal ob farbig oder schwarzweiß, selbst zu bearbeiten. Die Ergebnisse können Sie in diversen Foren, Blogs und Social media bestaunen. Manches ist sehr
originell, vieles diktiert der eingesetzte Filter. Der kreative Fotograf muss sich von der Software lösen. Gute Bilder entstehen im Kopf, nicht im Rechner. Das Bild entsteht, wenn der Fotograf
den Auslöser drückt, alles, was danach kommt, macht das Bild schlimmer. Eine gute Hilfe kann sein, auf Farben zu verzichten. Verzicht ist häufig hilfreich. Ich gehe nicht so weit ganz auf Farben
zu verzichten, aber, so schließe ich, wie ich anfing, mit Goethe, "von Zeit zu Zeit seh' ich [das] gern".